Interview mit Naoki Yoshibe: Erstellen Sie eine Animation in nur einem Monat! [Fortgeschritten]

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Der berühmte Animationsdesigner Naoki Yoshibe erklärt uns in diesem Interview, wie man in nur einem Monat eine Animation erstellt.

Lebendigkeit – Das Erfolgsgeheimnis von Bewegungen! Schenken Sie jedem Frame Ihre volle Aufmerksamkeit!

  • In dieser fortgeschrittenen Lektion möchten wir etwas mehr über Techniken in der praktischen Anwendung erfahren. Als Erstes möchten wir Sie fragen, worauf Sie am Anfang einer Animation achten.

 

 

 

Zunächst einmal sind mir flüssige Bewegungen wichtig und, dass das Mädchen niedlich aussieht. Anfangs hatte ich zwei Entwürfe, aber ich habe mich für den ersten entschieden, weil diese Dinge hier besser zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem hatte ich bei diesem das Gefühl, eine dynamischere Animation erstellen zu können.

▼Entwurf 1 und 2 (von links)

 

 

 

  • Ich verstehe. In Entwurf ① sind die Bewegungen tatsächlich extremer und es macht Spaß zuzuschauen.

 

 

 

Der grundlegende Ablauf dieser Animation ist folgender: Ein Mädchen kommt von hinten, überquert den Vordergrund und - Boom! - landet. Dabei habe ich nicht nur die Bewegung erstellt, sondern auch viele Effekte hinzugefügt.

 

Effekte helfen dabei, eine Bewegung noch eindeutiger darzustellen, weshalb ich diese Technik für Anfänger empfehlen kann. In dieser Animation habe ich Rauchspuren hinzugefügt, um die Schnelligkeit, mit der sich das Mädchen nach vorne bewegt, zu betonen. Die Rauchbewegungen sind schon allein durch die Bewegung erkennbar.

 

 

 

  • Mit den Effekten sieht es auf einmal wirklich wie eine echte Animation aus!

 

 

 

Es gibt allerdings leider keine Abkürzungen, sondern Sie müssen alles durch Trial-and-Error-Prozesse lernen (lacht). Am schnellsten geht es, wenn Sie sich abschauen, was für Effekte andere Leute benutzen. Es hilft auch, Bewegungen in der Natur aufmerksam zu beobachten.

 

Im Grunde geht es bei Animation darum, wie man natürliche Bewegungen durch Frames ausdrückt. Zum Beispiel handelt es sich bei dem kreuzförmigen Blitz am Anfang um eine stilisierte Darstellung von Lens Flare und Halo.

(Lens Flare und Halo-Erscheinungen sind visuelle Phänomene, die durch Reflexion und Brechung von Licht in einer Kameralinse verursacht werden.)

 

Damit sich der Blitz im Uhrzeigersinn dreht, stelle ich die Bewegung am Anfang sehr schnell und lasse sie dann langsam ausklingen. Wie schon in den Grundlagen erwähnt, ist es unglaublich wichtig, Kontrast in einer Bewegung zu haben. Dies gilt nicht nur für Effekte, sondern für alle Animationen.

 

Ich stelle sicher, dass die gesamte Animation durchgehend aus kontrastreichen Bewegungen mit Einführung, Entwicklung und Höhepunkt besteht, so wie bei der obigen Animation. Betrachten wir auch dieses Beispiel hier, bei dem das Mädchen vorne aus dem Bild verschwindet.

Ich habe darauf geachtet, die Raumtiefe darzustellen, wenn sich das Mädchen von hinten annähert, während ich dort, wo das Mädchen vorne aus dem Bild verschwindet, versucht habe, die Schnelligkeit zum Ausdruck zu bringen.

 

Stellen Sie sich die Aufnahme eines Formel-1-Rennen vor: Obwohl sich die tatsächliche Geschwindigkeit nicht verändert, nehmen Sie die Geschwindigkeit des Autos, das sich von hinten auf Sie zubewegt, langsamer wahr als die Geschwindigkeit, wenn es vorne direkt an Ihnen vorbeifährt. Das Auto kommt von hinten nach und nach immer näher, aber wenn es direkt an Ihnen vorbeifährt, ist es so schnell, dass es sofort wieder verschwunden ist.

 

Dieses Gefühl wird in der Animation durch die Framerate und die Anzahl der Frames ausgedrückt.

 

 

 

  • Das wäre dann die Umkehrung von dem „schnellen Anfang“, den Sie in den Grundlagen bei dem Explosionseffekt eingesetzt haben, oder? 

 

 

 

Letztendlich hängt es davon ab, was Sie darstellen möchten. Schauen wir uns zum Beispiel das Mädchen an, vom Blitz bis kurz bevor sie aus dem Bild verschwindet.

Das Mädchen bewegt sich zunächst langsam, weil dasselbe Bild für zwei Frames eingesetzt wird. Deshalb ändert sich die Größe des Mädchens hier erstmal nicht so sehr.

(„Frame“: Einheit von Bildern, die benötigt werden, um in einer Animation 1 Sekunde zu erzeugen. Hier wird dasselbe Bild zweimal hintereinander abgespielt.)

Je näher das Mädchen kommt, desto kürzer werden aber die Bildintervalle. Hier wird nur noch ein Bild pro Frame verwendet, wodurch ihre Silhouette im Vergleich zum jeweiligen Frame davor rapide größer wird. Dort, wo sie aus dem Bild verschwindet, werden schließlich die meisten Bilder gezeichnet.

 

Ich bin also folgendermaßen vorgegangen: Zuerst habe ich einen Entwurf erstellt, bei dem dasselbe Bild vierfach verwendet wird (6 Bilder pro Sekunde). Bei der Reinzeichnung habe ich dann jeweils noch ein weiteres Bild eingefügt, wodurch dann nur noch zweimal dasselbe Bild verwendet wird (12 Bilder pro Sekunde). Dort, wo sie vorne aus dem Bild verschwindet, verwende ich nur noch ein Bild, um die hohe Geschwindigkeit darzustellen.

 

 

 

  • Verstehe. Ich als Amateur habe gedacht, dass der schnellste Teil mit weniger Arbeitsaufwand verbunden ist, weil es so schnell vorbei ist... Ich habe hier auch mal eine einfache Animation erstellt – ist es das, was Sie gemeint haben?
  • Ich habe eine Animation mit 24 Frames pro Sekunde erstellt, die aus 6 Bewegungsphasen mit je 4 Frames besteht.

 

Den Fall des Apfels habe ich auf den Bildern 1 und 2 gezeichnet und jeweils für alle 4 Frames verwendet. Die Bilder 3 und 4, wo der Apfel auf dem Boden aufkommt, benutze ich jeweils nur noch für 2 Frames, um die Bewegungs- und Formänderung zu betonen. Die Bilder 5 und 6, die das Zurückprallen des Apfels darstellen, benutze ich pro Frame sogar nur noch einmal, da dies sehr schnell passiert.

 

Da sich die Silhouette auf den Bildern 7 und 8 weniger schnell verändern soll, benutze ich hier wieder 2 Bilder pro Frame. Für die restlichen Frames verwende ich 9 leere Bilder.

 

Wenn man selbst eine Animation erstellt, merkt man wirklich, wie wichtig es ist, die Anzahl der Frames je nach der Bewegung und Silhouette, die man hervorheben möchte, zu variieren.

 

 

 

Das stimmt. Wenn jedes Bild gleich lang abgespielt werden würde, wäre diese Animation ruiniert. Ich kann wirklich nicht oft genug betonen, wie wichtig eine kontrastreiche Bewegung in der Animationsproduktion ist.

 

Da Bewegungen letztendlich durch die Veränderung der Silhouette dargestellt werden, legen Sie am besten beim Zeichnen den Fokus auf die Abschnitte mit großen, dynamischen Bewegungen. Obwohl es auch wichtig ist, jedes Frame sorgfältig zu zeichnen, möchte ich vor allem, dass Sie verschiedene Timings und Darstellungsarten einsetzen und mit Kontrast arbeiten.

 

 

 

  • Gibt es noch andere Punkte, auf die man als Anfänger achten sollte?

 

 

 

Vermeiden Sie Bewegungen mit gleich langen Intervallen, es sei denn, Sie möchten bewusst genau diese Wirkung kreieren. So sieht es nämlich aus, wenn bei dem Mädchen jedes Bild gleich lang abgespielt werden würde.

Wie Sie sehen können, passt das Timing überhaupt nicht. Statt die Sekunde gleichmäßig aufzuteilen, ist es besser, den Fokus auf einen bestimmten Teil der Bewegung zu legen. Meistens kriegen Sie ein besseres Ergebnis, wenn Sie sich auf die Rhythmik der Bewegung konzentrieren, anstatt sich an den Details und der Flüssigkeit einer Bewegung aufzuhängen.

 

An dieser Stelle möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen: Es ist zwar nicht leicht, aber Sie sollten versuchen, mit Ihren Bildern bis zu einem gewissen Grad zu „lügen“. Ein guter Bluff ist in der Animationsproduktion ebenfalls sehr wichtig. Zum Beispiel habe ich bei den Frames „gelogen“, in denen sich das Mädchen nach unten bewegt, weil ich die einzelnen Bilder nicht strikt in der richtigen Perspektive gezeichnet habe. Aber wenn die Bilder hintereinander abgespielt werden, merkt man das gar nicht.

 

Um mit solchen kleinen Lügen durchzukommen, sind Trial-and-Error-Prozesse und Naturbeobachtungen unerlässlich. Gerade in der Animation haben Sie die Möglichkeit, mit Extremen und verschiedenen Ausdrucksweisen zu spielen.

 

 

 

  • Was hat Sie dazu bewegt, in Ihren Werken diese Art der Extreme anzustreben?

 

 

 

Ich habe eine Animation von Masaaki Yuasa gesehen und dachte mir „So frei darf man in der Animation also sein“. Meine Effekte wurden stark von seinen Arbeiten beeinflusst. Andere Beispiele sind natürlich Yoshinori Kanada sowie die Werke und Keyframes des Regisseurs Hiroyuki Imaishi. Kanadas Zeichnungen haben manchmal unmögliche Formen, aber er konnte sie zeichnen, weil er die Natur und die Welt genau beobachtet hat. Ich habe gelernt, indem ich diese Animationen Frame für Frame kopiert habe.

Wenn Sie gerade erst anfangen, möchte ich, dass Sie sich erstmal ganz viele Animationen anschauen, um zu erkennen, dass sie in der Animation völlig frei sind und alles zeichnen können, was Sie möchten.

 

 

 

  • Haben Sie zum Schluss noch ein paar letzte Worte für die Leute, die gerade anfangen?

 

 

 

Es ist wichtig, dass Sie etwas erstellen, egal was. Denn der Erstellungsprozess selbst ist wichtig. Geben Sie Ihrer Fantasie jeden Tag eine Gestalt und früher oder später werden Sie etwas erstellen, auf das Sie wirklich stolz sein können.

Je mehr Sie üben, desto besser werden Sie. Verlieren Sie also keine Zeit und fangen Sie jetzt an zu zeichnen!

 

 

 

  • Vielen Dank für heute!

 

 

 

Wir haben den Erstellungsprozess einer Animation nun ausführlich über die „Grundlagen“- und „Fortgeschrittenen“-Artikel erläutert. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass auch Sie jetzt eine Animation erstellen können?

 

Hier geht's zum Artikel „Naoki Yoshibe Interview: Erstellen Sie eine Animation in nur einem Monat! [Grundlagen]“.

 

Hier geht's zum Artikel „Naoki Yoshibe Interview: Erstellen Sie eine Animation in nur einem Monat! [Extras]“.

 

 

 

■ Künstlerprofil: Naoki Yoshibe

Ehemaliger Mitarbeiter von Kamikaze Douga Co., Ltd. (2011-2016), derzeit freischaffend tätig. Zu seinen Arbeiten zählen diverse Animes, Musikvideos und Werbevideos. Als selbsternannter „GIF-Kritzelmann“ ist er vor allem für seine kurzen GIF-Animationen auf Twitter bekannt.

„So erstellen Sie Kurzanimationen - Naoki Yoshibe works by CLIP STUDIO PAINT PRO / EX“

Autor: Naoki Yoshibe

Verlag: Gijutsu-Hyohron Co., Ltd.

 

▼ Buchinformationen (auf Japanisch)

 

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